BUND kritisiert Waldvernichtung für Großparkplatz
1. Februar 2021
Nienburg. Die Nienburger Kreisgruppe des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kämpft seit Jahrzehnten für den Erhalt der Natur im Landkreis und auch über die Kreisgrenzen hinaus. Aber das Ausmaß der Naturzerstörung, das jetzt am Schäferhof geplant ist, übertrifft wohl alles, was es bisher im Bereich der Stadt Nienburg gegeben hat, so der BUND.
Ende des letzten Jahres hat der Landtag den Niedersächsischen Weg für mehr Natur- und Artenschutz in Niedersachsen beschlossen. Vorausgegangen sind monatelange zähe Verhandlungen mit hohen Vertretern aus Politik, dem Agrarbereich und den beiden Umweltverbänden BUND und NABU und unterstützt durch 120.000 Unterschriften eines Volksbehrens. Viele Verbesserungen soll dieser Vertrag bringen. So enthält er ein Insektenschutzprogramm, ein Wiesenvogelschutzprogramm und viele wichtige Änderungen im Naturschutz-, Wald- und Wassergesetz.
Was nützen aber solche Verträge, wenn sich nicht daran gehalten wird, fragen sich die Vertreter der BUND-Kreisgruppe. In der Stadt Nienburg scheint man jedenfalls nichts von diesem bundesweit einmaligen Vertrag für den dringenden Arten- und Klimaschutz gehört zu haben. So ist in der Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses am 07. Januar fast einstimmig beschlossen worden, der Beschlussvorlage zuzustimmen und die Planung weiter voranzutreiben.
Was ist genau geplant:
Ein Automobillogistikunternehmen möchte dort Umschlagsflächen/ Abstellflächen für PKW und eine Montagehalle errichten. Die Stadt Nienburg/ Weser beabsichtigt, die im Geltungsbereich gelegenen Flächen (insgesamt gut 30 ha) als Industriegebiet in einer Größe von gut 19 ha festzusetzen. Die Flächen im Plangebiet sind derzeit zum großen Teil bewaldet. Nach einer Aktualisierung der vorliegenden Biotoptypen-Erfassung sind mindestens rd. 18 ha als Wald einzustufen. Größere Waldflächen sollen im westlichen Geltungsbereich in einer Größenordnung von ca. 4,4 ha bzw. in einer Breite von 150 m erhalten bleiben. Das heißt aber, dass rund 14 ha Wald, was einer Fläche von rund 20 Fußballfeldern entspricht, für riesige PKW-Parkflächen beseitigt werden müssen.
Laut BUND ist es ein bundesweites Ziel, die weitere Versiegelung der Landschaft einzugrenzen bzw. sogar auf Null zu reduzieren. Es stellt sich auch die Frage, wie die Vernichtung von 14 ha Wald mit unseren Klimazielen zu vereinbaren ist? Gerade wird mit Spenden Nienburger Bürger auf Initiative von Fridays for future ein Klimawald nahe Langendamm begründet. Wie passt denn die Vernichtung einer zwanzigmal so großen Waldfläche für einen Autostellplatz dazu, fragen sich viele junge Leute.
Was den BUND darüber hinaus ganz besonders entsetzt und traurig stimmt, wäre die Zerstörung eines der artenreichsten Gebiete im Landkreis Nienburg.
Das beauftragte Umweltbüro hat ein faunistisches Gutachten zu den Artgruppen Brutvögel, Fledermäuse, Reptilien, Tag- und Nachtfalter, Heuschrecken sowie am oder im Holz lebende Käfer erstellt. Die Erfassung erfolgte von März bis Oktober 2020. Das Gebiet zeichnet sich durch "ein kleinräumiges Mosaik aus unterschiedlichen Lebensräumen" aus, was auch die hohe Artenvielfalt begründet. Die Zerstörung oder erhebliche Beeinträchtigung von nach § 30 BNatSchG geschützten Biotopen (hier z. B. Sandtrockenrasen) ist gesetzlich verboten. So "weist der Landschaftsrahmenplan nahezu das gesamte Plangebiet als Extrem- und Sonderstandort für Biotoptypen aus."
Es wurden nachgewiesen: 8 Fledermausarten (alle gefährdet oder stark gefährdet), 45 Brutvogelarten, 3 Reptilienarten (die Zauneidechse ist auch europarechtlich geschützt), 27 Tagfalterarten (darunter einige Arten, die in Niedersachsen fast flächendeckend verschwunden sind), 22 Nachtfalterarten (nicht intensiv untersucht, dennoch 2 stark gefährdete Arten), 18 Heuschreckenarten (davon mehrere gefährdet oder stark gefährdet), 81 Käferarten (darunter zahlreiche gefährdete oder stark gefährdete Arten). Als Grundlage für die Gefährdungseinstufung dienen teils sehr veraltete Rote Listen. Somit müssten aktuell weit mehr von den im Gebiet festgestellten Arten als gefährdet und stark gefährdet eingestuft werden.
Durch den Bau des "Logistikzentrums" würden nicht nur sehr viele bedrohte und stark bedrohte Arten direkt vernichtet werden oder ihren Lebensraum oder ein wichtiges Nahrungsgebiet verlieren, sondern auch unzählige andere, nicht gezählte Arten. So lautet auch das Fazit des Umweltberichts: "Durch den Lebensraumverlust entstehen erhebliche Beeinträchtigungen für das Schutzgut Tiere, Pflanzen und biologische Vielfalt."
Die Waldfläche dient aber auch als wichtiges Bindeglied im Biotopverbund zwischen den Naturschutzgebieten Nienburger Gruben im Westen und dem Nienburger Bruch (gleichzeitig FFH-Gebiet) im Osten. Die Verbesserung des Biotopverbundes ist aber ein wesentliches Ziel des Niedersächsischen Weges, dem hier entgegengewirkt wird.
Die BUND-Kreisgruppe fordert:
Bei einer so großen Bedeutung des Gebietes für die Artenvielfalt in der Region Nienburg und sogar teilweise für Niedersachsen sowie den negativen Folgen für unser Klima muss dringend Abstand von diesem Projekt genommen werden und das Gebiet als herausragender Lebensraum erhalten und gesichert werden. Nur so kann der vom Landtag beschlossene Niedersächsische Weg ernsthaft umgesetzt und mit Leben gefüllt werden.
Vielleicht könnte ein anderes Gebiet an der Bahnlinie (z. B. in Leeseringen) mit geringerem ökologischem Wert für einen solchen Großparkplatz gefunden werden, wenn denn ein solches Projekt überhaupt zukunftsfähig ist.